Wieso wummerig? Bei mir zu Hause klingt es doch voll phatt!

Musikerhandbuch: Die Wahl der richtigen Monitorbox

Wir sind wohl schon alle daran verzweifelt: Der Mix, den wir in mühevoller Fummelei fertig gemacht haben und der zu Hause so richtig geil „phatt in your face“ klang entpuppt sich auf der richtig großen Anlage im Club als zu wummerig und matschig. Bei Tante Erna im Auto hört man gar nix mehr von den geilen Subbässen aus denen der Track hauptsächlich besteht. Und bei der Freundin zu Hause bringen die von ihr eingesungenen sexy Leadvocals mehr den Hund zum Jaulen als potentielle Fans zum kreischen. Die eigene Musik vernünftig zu mischen ist eine Herausforderung die Du nur mit viel Geduld, Herumprobieren, langsamen Herantasten und beständiger Lernbereitschaft nach Jahren meistern wirst. Ich kann es bis heute nicht. Jedenfalls nicht so, dass ich zu 100% mit meinen Mixen zufrieden wäre. Unabdingbar für einen gelungen Mix ist eine Monitorbox die Dich akustisch nicht im Trüben fischen lässt, sondern Dich hören lässt, was Du tust.

Ist doch eigentlich keine Problem. Investiere zwei Monatslöhne in ein paar Hi-End-Monitorboxen und Deine Mixe werden Dir endlich so richtig oberamtlich hammerendgeil gelingen. Tja, wenn das mal so einfach wäre.

Leider sind die richtigen Monitorboxen nur ein Bestandteil um einen Mix richtig hinzubekommen. Und selbst auf den besten Monitorboxen der Welt (falls es die überhaupt geben sollte) wirst Du keinen guten Mix hinbekommen, wenn Du den Klang der Boxen in dem Raum, in dem sie stehen, nicht kennst. Erfahrung ist hier einfach alles. Es gibt Musiker, die auf einem Paar JBL Control One (evtl. mit einem Subwoofer) in ihren Heimstudios einen Mix hinbekommen, der auf jeder Anlage, egal ob groß oder klein, gut klingt. Nicht unbedingt überall gleich herausragend. Aber gleichbleibend gut. Man spricht dann davon, dass dieser Mix gut auf anderen Boxen „übersetzt“ (im englischen „translate“). Im Autoradio sind die Bässe dann vielleicht nicht ganz so phatt, aber sie sind zu hören. Im Club sind die Vocals vielleicht ein wenig zu leise, aber dafür wummert nix. Und die Höhen fallen zu den oberen Frequenzen so angenehm ab, dass selbst wenn sie auf der schrillsten Anlage ertönen, kein Hund nach seinem Frauchen jault.

Um das hinzubekommen, brauchst Du ein paar Boxen, die zum einen Deinen Hörgewohnheiten entsprechen und zum anderen Deine typischen Mixfehler sofort offenbaren. Du kannst ein paar Testberichte lesen, um die Auswahl ein wenig einzuschränken und Dir Gedanken über Dein Budget zu machen. Es findet sich eigentlich in jeder Preisklasse eine Reihe von Boxen, die es wert sind näher angehört zu werden. Und ja – die teuren Boxen sind besser, aber nun nicht unbedingt so viel besser, dass es die von Anfang an direkt sein müssen. Überleg Dir, was Du ausgeben willst, und bleib dabei.

Bei dem Probehören der Boxen solltest Du unbedingt Deine eigenen Mixe mitnehmen. Und zwar am besten ein paar Mixe bei denen Du weißt, welche Fehler Du da gemacht hast. Nimm einen Track in mehreren Fassungen mit. Mit zu wummerigen Bässen, mit zu leisen / lauten Hihats. Mit zu viel / zu wenig Hall. Mit zu lauten / leisen Vocals. Entlarvt die Box Deiner Wahl sofort beim ersten Hinhören diese Fehler? Oder klingt einfach alles irgendwie gut? Auf keinen Fall solltest Du eine Box nehmen, bei der die neuste audiophile Veröffentlichung von DJ Klangwunder 2000 Dir die Tränen der Rührung ob solcher nie gehörten Klanreinheit in die Augen treibt. Du brauchst keine Hifi-Box die schön klingt. Du brauchst eine Box auf der falsche Mixe möglichst grässlich und gute Mixe irgendwie ganz ok klingen.

Nicht umsonst wurde jahrzehntelang in vielen Studios auf Yamaha NS-10 gemischt. Nicht ausschließlich, wohlgemerkt. Aber sie spielten eine entscheidende Rolle, weil sie einfach so schrecklich mittig und plärrig klingen, daß jede problematische Frequenz im Mix einen förmlich anspringt. Und wenn ein Mix auf diesen Boxen einigermaßen rockt, dann wird er einen auf richtigen Boxen garantiert wegblasen. Für Techno sind diese Boxen nur bedingt geeignet, weil sie keinerlei Subbässe haben, aber um zu beurteilen wie ein Mix auf einer durchschnittlichen Anlage klingt sind sie nach wie vor eine gute Wahl.

Das bedeutet aber nicht, dass Du unbedingt die NS-10 oder die Control One brauchst, nur weil es hier steht. Im Gegenteil. Du musst herausfinden, was Du hören willst um Deinen Mix beurteilen zu können. Mixt Du immer zu viel Bass rein? Dann besorg Dir eine Box die bassig klingt und bei zu viel Bass wummert; deine Mixe werden automatisch trockener klingen. Klingen Deine Mixe zu dumpf? Dann brauchst Du keine NS-10 sondern eine Box, die in den oberen Mitten etwas zurückhaltender ist. Du siehst (und hörst) also: Es kommt auf Dich und Deinen Hörgewohnheiten an.

Sei mutig und kauf Dir ein paar Boxen dass Deinem Budget und Deinen Ohren entspricht.

Und wenn Du Dich dann in ein paar Jahren verbessert und eingehört hast, dann kauf Dir das nächste Paar Boxen. Du wirst dann sehr genau wissen was Du brauchst. Bis dahin solltest Du Deine Mixe auf so vielen Anlagen der Welt hören wie es nur geht. Du solltest lernen die Bässe, die Du zu Hause nicht hörst, zu fühlen, indem Du z.B. die Hände auf den Tisch legst auf dem Deine Boxen stehen. Oder indem Du in eine Ecke des Zimmers gehst, in dem immer viel zu viel Bass zu hören ist. Du solltest Deinen Mix auf dem Küchenradio hören. Oder aus dem Nachbarzimmer. Und so weiter. Darüber wurde eigentlich schon genug geschrieben.

Wichtig ist nur: Vertraue Deinen eigenen Ohren beim Kauf der Boxen und lerne alle Tricks beim Mischen um mit suboptimalen Abhörbedingungen klar zu kommen. Die Erfahrungen die Du dabei machst sind mehr wert als die teuersten Monitorboxen dieser Welt.