Suche dominante Frau die mich beim Go spielen schlägt

Das beste Spiel der Welt

Ok, ich geb’s zu, ich habe mich zu einer Click-Bait-Überschrift hinreißen lassen. Aber auch nur, weil ich so begeistert von Go bin. Das Spiel hat einfach alle Aufmerksamkeit der Welt verdient, auch wenn es auf den ersten Blick etwas kryptisch und sperrig daher kommt. Wer die Anfangshürden erfolgreich überwunden und seine ersten Spielversuche hinter sich gebracht hat, wird mit geradezu bewusstseinserweiternden Einsichten in das Leben, das Universum und den ganzen Rest belohnt. Und der Erkenntnis, dass man wahrscheinlich mehrere Leben braucht, um sämtliche Geheimnisse dieses Spiels zu durchdringen.

Bevor ihr weiterlest: Ich habe inzwischen einen kurzen Einstieg in das Go Spiel geschrieben, wo ich in in aller Kürze alles erkläre, was man für die ersten Schritte braucht.

Go-Spielbrett

Foto: FC Stoffel CC-BY-SA

Wie bei allen guten Spielen sind die Regeln ganz einfach und lassen sich auf fünf Grundregeln herunterbrechen:

  1. Schwarz und Weiß setzen abwechselnd einen Stein.
  2. Steine, die rundum von gegnerischen Steinen eingeschlossen sind, werden entfernt (geschlagen).
  3. Ein einzelner Stein darf nicht geschlagen werden, wenn dadurch wieder dieselbe Stellung wie bei dem vorhergehenden Zug entsteht (also ein ewiges Hin und Her entstehen würde).
  4. Selbstmord ist verboten.
  5. Gewonnen hat am Ende derjenige Spieler, der mit seinen Steinen am meisten Gebiet umschlossen hat.

Aus diesen einfachen Regeln ergeben sich aber bereits nach wenigen Zügen Stellungen mit Problemen von geradezu intergalaktischem Ausmaß. Mein Hirn hatte da am Anfang ganz schön mit zu kämpfen. Steine werden gesetzt und danach nicht mehr weitergezogen. Was liegt, das liegt. Oft stellt sich ein paar Züge später heraus, dass der Stein an einer anderen Stelle viel besser liegen würde, aber dann ist es leider zu spät. Andererseits: wenn der Stein an der vermeintlich besseren Stelle liegt, wechselt der Gegner die Richtung und der Stein liegt dann doch nicht so gut. Es ist ein ewiges Abwägen und Adaptieren der eigenen Strategie, ein beständiges Geben und Nehmen. Die westlichen Spielkonzepte die ich mit mir herumtrage laufen bei Go komplett ins Leere.

Vergesst Schach

Um es deutlich zu sagen: Go ist wesentlich komplexer und in vieler Hinsicht herausfordernder als Schach. Beim Schach geht es darum den Gegner vernichtend zu schlagen. Die Figuren haben unterschiedliche Stärken, die Dame ist z.B. die stärkste Figur auf dem Brett. Je mehr Figuren ich schlagen kann ohne zurückgeschlagen zu werden, umso besser für mich. Das Ziel ist es den Gegner Schach Matt zu setzen.

Ganz anders beim Go. Die Steine entwickeln ihren Wert erst im Zusammenspiel, entsprechend ihrer Position auf dem Brett. Man spricht hier von guter Form oder schlechter Form, und ich habe eine Weile gebraucht um das auch nur ansatzweise zu verstehen. Am Anfang habe ich gar nicht gemerkt, dass mein Gegner eine starke, bedrohliche Stellung aufbaut. Einfach weil da nur schwarze und weiße Steine wie zufällig auf dem Brett liegen und sich mir ihr Zusammenwirken nicht auf den ersten Blick erschloss. Wenn beim Schach die Dame des Gegners näher kommt, dann spürt man die Bedrohung. Aber ob beim Go die Steine des Gegners auf der dritten oder vierten Reihe vom Rand liegen, scheint keinen großen Unterschied zu machen. Tja, selten so gefehlt. Gerade dieser Unterschied zwischen hoch (gemeint ist damit zur Brettmitte hin) und tief (das meint zum Rand hin) ist elementar im Go. Wir erinnern uns: Anders als beim Schach, geht es beim Go nicht um das vernichtende Schlagen des Gegners. Es geht nur darum etwas mehr Gebiet als der Gegner abzustecken. Wie viel mehr ist egal – für den Sieg reicht ein Punkt mehr. Und da kann es schon spielentscheidend sein, ob die Steine drei oder vier Reihen vom Rand entfernt ein Gebiet einschließen.

Ying und Yang

Snapshot: GoDroid

Snapshot: GoDroid

Während des Spiels teilen sich die beiden Spieler das Brett mit ihren Steinen quasi untereinander auf, und jeder versucht ein bisschen mehr von dem Kuchen zu bekommen. Wenn ich zu gierig werde und ein zu großes Stück für mich beanspruche, kann es schnell passieren, dass mir mein Gegner mein tolles großes Stück Kuchen in viele, kleine, wertlose Krümel zerbröselt. Ich muss also genau abwägen, ob ich Gebiet erobern möchte und angreife, oder ob ich Gebiet sichern will und eher verteidige. Denn egal wie ich spiele, in den meisten Fällen ist eine Entscheidung für die eine Stellung auch immer verbunden mit der Aufgabe von einer anderen Stellung. Wenn ich Gebiet an der Seite will, muss ich wahrscheinlich Gebiet in der Ecke aufgeben. Wenn ich Einfluss in der Mitte haben will, kostet mich das Gebiet am Rand. Um einen Stein zu schlagen, brauche ich vier Steine, um ihn zu umzingeln. Das sind vier Steine, die woanders unter Umständen besser liegen würden.

Wer sich ein wenig für fernöstliche Philosophie und das Prinzip von Ying und Yang interessiert, wird es beim Go Spielen in wunderbar anschaulicher Weise konkret erleben können. Auch wird sie / er lernen, sich in Geduld zu üben. Sich für ein paar Züge vielleicht sogar zurückzuhalten und auszuweichen, um dann später den einen, alles entscheidenden Zug spielen zu können. Nicht jede Aktion des Gegners erfordert eine direkte Reaktion. Die richtige Beurteilung der Steine auf dem gesamten Brett ist wichtiger als das kleine Scharmützel in der Ecke. Ein einzelner Stein kann immens wichtig sein. Fünf Steine können unwichtig sein und ruhig aufgegeben werden. Es gilt das Richtige im richtigen Moment zu tun, nur das zu erkennen ist alles andere als trivial.

Ich bin angefixt – wie kann ich Go lernen?

Eine Empfehlung für Anfänger besagt: „Verliere möglichst schnell Deine ersten 50 Spiele“. Das bedeutet, man soll einfach drauf los spielen, schauen was passiert und ein wenig rumexperimentieren ohne zu viel über die einzelnen Züge nachzudenken. Es geht nur darum ein Gefühl dafür zu entwickeln, wie die Steine zusammen wirken und nicht den einen, besten Zug zu finden.

Wer zunächst die Regeln lernen will, kann dies auf der Seite Der interaktive Weg zu Go tun. Hier kann man sich in rund 30 Minuten interaktiv mit den Grundzügen des Spiels vertraut machen und ist dann bereit für sein erstes Spiel. Doch gegen wen?

Ich habe meine ersten 50 Spiele gegen einen Computer-Gegner verloren, weil ich meinen Dilettantismus keinem Menschen antun wollte. Und ja, richtig gelesen, 50 Spiele – tatsächlich verloren. Etwas, das zu den tieferen Einsichten beim Go dazu gehört: Ein verlorenes Spiel ist ein gutes Spiel, wenn Du etwas gelernt hast. Ich habe mir die kostenlose Android App GoDroid installiert, eine Umsetzung von dem Open Source Projekt GnuGo. Da habe ich zunächst auf dem 9×9 Brett so lange gespielt, bis ich das erste Mal gewonnen habe. Dann habe ich auf dem 13×13 Brett mit Vorgabesteinen gespielt, erst 4, dann 3, dann 2 und dann ohne Vorgabestein. Vorgabesteine sind dazu gedacht, die Rangunterschiede zwischen guten und schlechten Spielern auszugleichen. So kann ein schlechter Spieler z.B. sechs Steine aufs Brett legen bevor der bessere Spieler seinen ersten Stein legt. Das führt zu erstaunlich ausgeglichenen Partien und ermöglicht für beide Spieler ein spannendes Spiel. Eine Möglichkeit, die es beim Schach nicht gibt.

Snapshot: GoGrinder

Snapshot: GoGrinder

Um auf dem 13×13 Brett zu gewinnen, habe ich dann angefangen mich etwas mehr mit der Spieltheorie zu beschäftigen. Eine gute erste Anlaufstelle ist Sensei’s Library – ein Wiki rund um Go – und hier zunächst die Pages for Beginners. Ausserdem habe ich angefangen Go Probleme zu lösen, und zwar online bei goproblems.com. Soweit ich das mitbekommen habe, ist es am Anfang wichtiger ein Gespür für Leben und Tod von Gruppen zu bekommen (indem man entsprechende Probleme löst) als ausgefuchste Standardabfolgen (Josekis) auswendig zu lernen ohne sie wirklich zu verstehen. Für Android gibt es dann noch GoGrinder mit genügend vorinstallierten Problemen oder auch Wbaduk. Letzteres eigentlich ein Client für Onlinespiele, aber man kann offline jede Menge Probleme lösen.

Spätestens wenn man auf einem 13×13 Brett gegen den Computer gewinnt, sollte man anfangen gegen Menschen zu spielen. Das Blöde beim Computer ist nämlich seine eher erratische Spielweise. Er verstreut seine Steine wild auf dem Brett und springt oft hin und her, so dass man nicht lernen kann, wann einen lokale Stellung zur Ruhe gekommen ist und wann noch ein Stein mehr nötig wäre.

Snapshot: Pandanet (Go)

Snapshot: Pandanet (Go)

Gegen Menschen aus der ganzen Welt kann man gut online spielen. Dafür gibt es verschiedene Go-Server. Die bekanntesten sind, soweit ich das beurteilen kann, KGS und Pandanet (IGS). Für Pandanet gibt es mit Pandanet (Go) auch einen ganz angenehmen, kostenlosen Client für Android. Den kostenpflichtigen KGS Client für Android kann ich nicht wirklich empfehlen, da er sich etwas fummeliger bedienen lässt und keine besseren Features bietet. Es sei denn natürlich, man will unbedingt per Android auf KGS spielen. Die Desktop Clients habe ich noch nicht ausprobiert.

Und natürlich kann man auch offline mit einem echten Brett und schönen Steinen von Angesicht zu Angesicht spielen. Das nötige Spielmaterial dazu gibt es beim Hebsacker Verlag. In Köln gibt es eine sehr nette Go Gruppe, die sich in ungezwungener Atmosphäre trifft und bei der auch Anfänger, so wie ich, willkommen sind.

Nick Sibicky und Dwyrin auf YouTube

Den Status des absolut blutigen Anfängers habe ich erst hinter mir gelassen, als ich auf YouTube Nick Sibicky’s Go Lectures entdeckt habe. Nick Sibicky unterrichtet ehrenamtlich am Seattle Go Center die „Double Digit Kyu“ Spieler (sprich die Anfänger), filmt sich hin und wieder dabei und stellt die Videos dann online. Das ist zum einen wirklich lehrreich, weil hier im Zuge einiger Folgen all die Fragen beantwortet wurden die mir im Kopf herumschwirrten. Zum anderen hat das Format enormes Kultpotential, weil man immer nur Nick Sibicky sieht und nie seine Schüler, man aber mit jeder Folge die Eigenheiten der Schüler anhand ihrer wiederkehrenden Wortmeldungen kennerlernt. Und außerdem ist Nick Sibicky einfach ein sehr angenehmer Mensch und toller Lehrer. Über ihn bin ich dann auf den Kanal von Dwyrin aufmerksam geworden. Er wendet sich eher an fortgeschrittene Spieler und ist durch das reine Screencast Format nicht ganz so unterhaltsam wie Nick Sibicky. Aber sehr lehrreich, wenn man sich Zeit nimmt und konzentriert bei der Sache bleibt.

Ein Leben ohne Go ist möglich, aber sinnlos

Go ist nicht einfach nur irgendein Spiel. Es ermöglicht tiefe Einsichten in das Leben und regt zu neuen Gedankengängen an. Bei Go muss ich zwischen wichtig und unwichtig unterscheiden. Ich muss im entscheidenden Moment loslassen können. Ich muss ein Gefühl für die Abfolge von kleinen und großen Zügen haben. Ich muss mich in Demut üben und erkennen, dass ich nur langsam dazu lerne. Ich muss genügend Selbstvertrauen haben, um aktiv das Spiel bestimmen zu können. Und ich muss herausfinden, was mein eigener Stil ist und diesen beständig weiterentwickeln.

Go zu spielen, bedeutet mit sich selber ins Reine zu kommen, seine eigenen geistigen Grenzen zu erkennen und zu versuchen sie zu überwinden. Das ist unglaublich mühsam und phasenweise frustrierend, gleichzeitig aber auch bewusstseinserweiternd. Haufenweise Spiele zu verlieren ist normal. Ich spiele Go nicht, um zu gewinnen, sondern um etwas zu lernen. Über das Spiel, über mich selbst und über das Leben. Wenn ich nur ein Spiel für den Rest meines Lebens spielen könnte, dann wäre das Go.

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