Creative Commons – Drum prüfe, wer sich ewig bindet
Musikerhandbuch: Creative Commons 2
Ihr wollt Eure Musik unter Creative Commons Lizenz veröffentlichen? Super Idee. Aber habt ihr auch wirklich verstanden, was dies im Einzelnen genau bedeutet und welche Auswirkungen dies für Euch hat? Es gibt da nämlich ein paar Dinge, über die man sich klar sein sollte, bevor man seine Musik unter CC-Lizenz stellt. Das sind im Wesentlichen die folgenden Punkte.
- Creative Commons Lizenzen gelten räumlich und zeitlich unbegrenzt. Ist ein Werk einmal unter CC lizenziert, kann dies nicht mehr rückgängig gemacht werden.
- Es entsteht keinerlei Rechtsverhältnis zwischen Creative Commons und Euch als Urheber wenn ihr die Lizenzen verwendet. Ihr werdet also nicht Mitglied oder „unter Vetrag genommen“ und seid dementsprechend in einem Rechtstreit für Euch selbst verantwortlich.
- Creative Commons ist keine Verwertungsgesellschaft, sammelt also keine Gelder ein und schüttet die dann an Euch aus.
- Eine Mitgliedschaft in der GEMA schließt (noch) die Musiklizenzierung unter Creative Commons aus. Eine Alternative dazu ist mit der C3S in Sicht, allerdings ist die diese noch nicht als Verwertungsgesellschaft anerkannt.
- Die Entscheidung für oder gegen NC (nicht kommerziell) will gut überlegt werden. Der Verzicht auf NC erlaubt Dritten mit Eurer Musik Geld zu verdienen – und zwar auch im großen Stil.
Dies mag sich auf den ersten Blick wie eine Liste von Gründen gegen Creative Commons Lizenzen lesen. Dabei sind diese Punkte nur folgerichtig und gar nicht mal so schlimm, wenn man sie einmal verstanden hat. Und wenn man sich vor Augen führt, was man mit der Lizenzierung unter Creative Commons bezwecken möchte: Seinen Fans die nötige Rechtssicherheit zu geben, damit sie ohne juristische Grauzonen die Musik teilen und in ihre Blogs einbinden können. Also: Keine Angst vor Creative Commons. Traut Euch. Zur Sicherheit hier noch ein paar Erläuterungen zu den einzelnen Punkten.
Creative Commons Lizenzen gelten räumlich und zeitlich unbegrenzt
Einmal Creative Commons, immer Creative Commons. Das ist eine ewige Bindung, aber die einzig sinnvolle Vorgehensweise im Internetzeitalter. Ein Werk, das einmal zur Weitergabe im Internet veröffentlicht wurde wird hoffentlich von Fans auf der ganzen Welt geteilt und eingebunden. Selbst Jahrzehnte nach einer Veröffentlichung kann noch ein Werk von einer größeren Schar entdeckt werden und ein Hype entstehen. Wer also seine Werke weltweit bekannt machen möchte, sollte dafür sorgen, dass die Lizenz auch weltweit gilt. Schließlich heißt „der“ Internet ja auch Welt-Weit-Netz. Ferner ist es den Fans nicht zuzumuten, dass sie im regelmäßigen Rhythmus (jährlich, monatlich, wöchentlich?) nachprüfen, ob die einmal erteilte Lizenz immer noch gilt. Erlaubt ist erlaubt und bleibt erlaubt und zwar weltweit. Alles andere macht keinen Sinn.
Es entsteht kein Rechtsverhältnis mit Creative Commons
Creative Commons ist eine Non-Profit-Organisation, die vorgefertigte Lizenzverträge anbietet, die von jedermann zur Lizensierung der eigenen Musik verwendet werden können. Das ist vom Mechanismus ähnlich wie bei den Open Source Software Lizenzen wie GNU General Public License oder MIT License. Ihr als Musiker verwendet diesen Creative Commons Lizenzvertrag und erlaubt damit den Fans, Eure Musik zu den Bedingungen dieser Lizenz zu verwerden. Die Organisation Creative Commons macht dabei nicht mehr, als den Text dieser Lizenz juristisch einwandfrei zu formulieren und Euch kostenlos zur Verfügung zu stellen. Das ist so ähnlich, wie wenn ihr einen Untermietvertrag aus dem Schreibwarenhandel benutzt, um mit einem Untermieter einen Vertrag zu schließen, oder wenn ihr einen vorgefertigten Disclaimer auf Eure Webseite setzt.
Durch den Hinweis, dass Eure Musik unter einer Creative Commons Lizenz mit den entsprechenden Bedingungen steht, entsteht das Rechtsverhältnis allein zwischen Euch und den Nutzern Eurer Musik. Die Organisation Creative Commons hat Euch dafür „nur“ einen passenden und über die Jahre ziemlich ausgereiften Lizenztext zur Verfügung gestellt, der auch vor Gericht Bestand hat. Sonst hat sie aber nichts weiter mit dem Verhältnis zwischen Urhebern und Nutzern zu tun. Wenn es vor Gericht geht, dann nur mit Euch und den entsprechenden Nutzern. Die Organisation Creative Commons ist da außen vor. Es gibt aber durchaus einige Anwälte, die sich mit Creative Commons gut auskennen und da Erfahrung haben. Im Ernstfall seid ihr also nicht allein auf Euch gestellt.
Creative Commons ist keine Verwertungsgesellschaft
Wie oben ausgeführt, bietet die Non-Profit-Organisation vorgefertigte Lizenztexte zur Nutzung an. Nicht mehr, nicht weniger. Ihr werdet durch die Nutzung der Lizenzen nicht Mitglied bei Creative Commons, ihr schließt auch keinerlei Verträge mit Creative Commons ab. Ihr benutzt einfach nur den Lizenztext. Die Organisation Creative Commons ist keine Verwertungsgesellschaft, sammelt also keine Nutzungsgebühren für Euch ein. Wenn ihr für die kommerzielle Nutzung Eurer Werke also keine individuellen Absprachen mit den Nutzern treffen wollt, müsst ihr Euch einer Verwertungsgesellschaft anschliessen, die ihren Mitglied die Nutzung von Creative Commons Lizenzen erlaubt.
GEMA und Creative Commins passt (noch) nicht zusammen
Die Creative Commons Lizenz und die Auswertung durch eine Verwertungsgesellschaft schließt sich nicht kategorisch aus. Bei Werken, die unter der NC Bedingung (nicht kommerziell) lizenziert werden, spricht prinzipiell nichts gegen die Auswertung durch eine Verwertungsgesellschaft. Denn jede kommerziell Nutzung ist ja durch die NC Bedingung ausgeschlossen und unterliegt somit allein dem geltenden Urheberrecht. Dementsprechend kann die kommerzielle Nutzung an eine Verwertungsgesellschaft zur Wahrnehmung übertragen werden. In der Theorie.
In der Praxis sind die Strukturen der Verwertungsgesellschaften noch nicht darauf ausgelegt. Die GEMA erlaubt ihren Mitgliedern bisher nicht die Nutzung der Creative Commons Lizenz. Die Tücke liegt wie so oft im Detail und wohl auch in der Behäbigkeit der GEMA. Als Alternative zur GEMA hat sich vor ein paar Jahren die Cultural Commons Collecting Society (C3S) gegründet, mit dem Ziel auch Creative Commons Werke zu verwerten. Allerdings ist die C3S bisher (Stand Juni 2015) noch nicht als Verwertungsgesellschaft anerkannt.
Eigentlich ist es also nur eine Frage der Zeit, bis die eine oder andere Verwertungsgesellschaft sich der Creative Commons Inhalte annimmt. Bis dahin müsst ihr den erwarteten finanziellen Nutzen gegen den ideellen Nutzen gegenüber Euren Fans leider sorgfältig abwägen. Eigentlich schade, denn die NC-Bedingung ist wie gemacht für beides.
Auswirkungen der NC Bedingung
Die Broschüre Freies Wissen dank Creative-Commons-Lizenzen. Folgen, Risiken und Nebenwirkungen der Bedingung „nicht-kommerziell – NC“ (PDF) von Paul Klimpel gibt einen guten Einblick in mögliche unerwünschte Effekte bei der Wahl der NC Bedingung. Wenn ihr eure Musik als Beitrag zur Kreativ Allmende verstanden wissen wollt, also Eure Musik zu Remixen, Videovertonung, oder zur Verwendung in Schulprojekten frei geben wollt, solltet ihr den Verzicht auf NC in Betracht ziehen und stattdessen die SA Bedingung (Weitergabe und gleichen Bedingunen) wählen.
Allerdings erlaubt ihr mit dem Verzicht auf die NC Bedingung auch großen Firmen mit Eurer Musik Geld zu verdienen, ohne dass ihr zwangsläufig an den Einnahmen beteiligt werdet. Ihr müsst dann nicht gefragt werden, wenn Eure Musik auf einem Sampler verwendet wird, der zum kostenpflichtigen Download angeboten wird. Wenn ihr die SA Bedingung gewählt habt, heißt das nur, dass der Sampler selbst auch wieder unter der SA Bedingung stehen muss, er darf aber trotzdem verkauft werden.
In der Regel macht so etwas nicht viel Sinn, denn wer sollte etwas kaufen, was es an anderer Stelle auch kostenlos gibt. Es sind jedoch auch Geschäftsmodelle denkbar, in denen ein Mehrwert gegenüber dem reinen Download geschaffen wird, wie der Fall des Verkaufs von Creative Commons Bilder durch Yahoo/Flickr eindrucksvoll zeigt.
Der Verzicht auf die NC Bedingung will also gut überlegt sein, da ihr damit die Kontrolle über die kommerzielle Auswertung Eurer Musik aus der Hand gebt. Das kann im Einzelfall durchaus sinnvoll sein, z.B. wenn ihr einzelne Samples oder Spuren eines Titels zum Remix freigeben wollt, oder zu einem Videocontest zu einem Song aufruft. Aber es muss eben nicht unbedingt ein ganzes Album ohne NC sein.
Darüber hinaus gibt es immer die Möglichkeit an geeigneter Stelle darauf hinzuweisen, dass ihr gerne per Mail kontaktiert werden könnt, falls jemand Eure Musik zu anderen Bedingungen als der Creative Commons Lizenz verwenden möchte. Das kann mitunter zu sehr netten Kontakten führen.
Drum prüfe, wer sich ewig bindet
Die Musik, die ihr unter Creative Commons veröffentlicht, wird mit aller Wahrscheinlichkeit bis ans Ende des Internets für alle Menschen verfügbar sein. Sie wird nicht nach der ersten limitierten 500er Vinylpressung im Archiv Eurer Plattenfirma verschwinden und nie wieder aufgelegt werden. Sie wird nicht von Erbengemeinschaften nur einmal alle dreißig Jahre vor exakt dreißig Personen exklusiv aufgeführt werden. Sie wird andere Musiker dazu inspirieren, sich auf Eure Schultern zu stellen und etwas größeres zu schaffen. Die eigene Musik unter Creative Commons zu veröffentlichen ist eine Übung im Loslassen. Es ist auch ein Kontrollverlust, den ihr erst einmal aushalten müsst. Überlegt es Euch also gut. Eine Grundlage für Eure Entscheidung solltet ihr jetzt dann hoffentlich haben. Ansonsten einfach fragen.