Paranoia muss zum Reflex werden
Die spinnen die Franzosen
Vorletzte Woche war ich in Paris, wir mussten Freitag naturgemäß vor Mittag aus dem Hotel auschecken, unser Zug fuhr aber erst Abends. Also sind wir kurz am Gare du Nord vorbei um dort unser Gepäck einzuschließen. Das ist aber anders als in Deutschland nicht so ohne weiteres möglich. Wir mussten nämlich erst unser Gepäck ähnlich wie beim Flughafen durchleuchten lassen und selber durch einen Metalldetektor laufen, vorher natürlich Taschen leeren und Gürtel ausziehen.
Abends waren wir dann rund eine Stunde früher am Bahnsteig. Dabei fielen mir junge Menschen in Armeeuniformen auf, die mit Gewehren in der Hand im Bahnhof Patrouille gingen. Ich nehme an, das waren Soldaten der französischen Armee, die dort für Sicherheit sorgen sollten. Es waren recht junge Soldaten, so um die Zwanzig, die für mich eher angespannt als souverän gelassen wirkten. Der Bahnsteig nach London, durch den Tunnel unter dem Ärmelkanal, war per automatischer Schranken abgesichert. Die öffnen sich erst kurz vor Ein- bzw. Abfahrt. Der Thalys nach Köln stand schon eine Weile im Gleis, durfte aber erst zehn Minuten vor Abfahrt betreten werden. Dabei mussten wir unsere Tickets vorzeigen, aber nicht um sie zu entwerten, denn die Kartenleser waren am Eingang nicht vorhanden. So konnten wir mit unseren QR-Codes auf den Handys auch zunächst nicht den Zug betreten, sondern mussten erst den Ausdruck einer Bestätigungsmail vorzeigen, bevor wir hinein durften. Unsere Koffer haben wir dann im Vorraum abgestellt. Keine Ahnung was passiert wäre, wenn wir an der nächsten Station ausgestiegen wären und unsere Koffer im Zug gelassen hätten. Das hätte wahrscheinlich niemand bemerkt.
Bei mir haben diese Sicherheitsvorkehrungen kein Gefühl von Sicherheit erzeugt. Vielmehr hatte ich das Gefühl, das akute Gefahr droht. Verschiedene Dinge gingen mir durch den Kopf. Bombenattentate scheinen hier an der Tagesordnung zu sein. Sich längere Zeit im Bahnhof aufzuhalten ist gefährlich, sonst wären hier keine Soldaten. Und was, wenn einer dieser jungen Soldaten nicht genügend Erfahrung hat und in irgendeiner Situation überstürzt reagiert? Wieso werden die Koffer nicht auch beim Einstieg durchleuchtet? Bin ich in Lebensgefahr?
Ich bin heilfroh, dass wir am Kölner Hauptbahnhof nicht solche Sicherheitsvorkehrungen haben. Denn gerade das Fehlen von solchen leicht paranoiden Vorkehrungen gibt mir als normaler Fahrgast das Gefühl, das alles in Ordnung ist und eben keine akute Gefahr droht. Ich möchte nicht in einer Welt leben, in der mir permanent Angst vor Terror gemacht wird.
Ja, genau, das meine ich so: Angst vor Terror wird gemacht. Durch übertriebene Sicherheitsmaßnahmen, die mir suggerieren ich würde mich in einem permanenten Ausnahmezustand befinden. Das entspricht aber nicht der Realität. Es ist wesentlich wahrscheinlicher, dass ich bei einem Fahrradunfall sterbe, wenn ich keinen Helm trage, als dass ich Opfer eines Terroraktes werde. Und deshalb bin ich für eine Helmpflicht für Radfahrer und gegen permanente Überwachung. Die Mehrheit der Deutschen sieht das leider genau andersherum.