Ein kleine Phänomenologie unseres Umgangs mit den E-Mails
Oder: Das digitale Kommunikationsdesaster
Seit ein paar Monaten schon organisiere ich zusammen mit ein paar Leuten die Cologne Commons Konferenz, die am 17. und 18. Oktober an der Universität zu Köln stattfindet, inklusive einem Konzertabend am 18. Oktober im Gebäude 9.. Ein Großteil der Kommunikation wird per E-Mail abgewickelt, was meistens auch Sinn macht, aber in manchen Fällen auch mal komplett daneben geht. Nicht zum ersten Mal begegnen mir dabei einige Phänomene, die ich hier einfach mal kategorisch abhandeln möchte.
Den Stapel abarbeiten
Meine Zahl der E-Mails, die ich täglich bekomme, ist noch recht überschaubar. Bei anderen trudeln die E-Mails wahrscheinlich im Sekundentakt ein. Und stapeln sich, mehr oder weniger gut automatisch sortiert, im Eingangsordner. Dieser Stapel schreit nach Bearbeitung. Nach möglichst schneller Bearbeitung. Davon möchte ich abraten. Wer eine E-Mail nach der anderen einfach nur abarbeitet, im Sinne von schnell beantworten und weg damit, begibt sich in die Gefahr einer großen Selbsttäuschung. Jede beantwortete E-Mail gibt uns das befriedigende Gefühl wir hätten etwas erledigt. Und das im Minutentakt. Aber wenn wir mal ehrlich sind: In wie vielen Fällen haben wir, statt wirklich etwas ausführlich und umfassend zu erledigen, ganz einfach nur den Ball möglichst schnell wieder zurück gespielt? Mit einem Minimum an dahin geworfenen Informationen, um die Sache von uns weg – und zurück an unserem Gegenüber – zu schieben.
Die digitale Unverbindlichkeit
Viele E-mails sind in einem eher informellen Tonfall geschrieben. Nicht zu locker, aber auch nicht zu steif und offiziell klingend. Das gehört mehr oder weniger zum Standard beim Schreiben einer E-mail. Wir verstehen die E-Mail als ein Zwischending aus Telefonat und Brief. Außerdem ist es eine sehr schnelle, flüchtige Form der Kommunikation. Schnell geschrieben, abgesendet, weg damit. Auf zur nächsten Aufgabe, wir müssen schließlich den Stapel abarbeiten. Daraus ergibt sich leider auch ein gewisses Maß an Unverbindlichkeit. Wir schreiben „ich probier mal“ oder „ich schau mal“ oder „kann ich versuchen“ anstatt klar und deutlich Ja oder Nein zu schreiben. Denn das würde ja voraussetzen, dass wir uns länger mit einem Sachverhalt auseinander setzen, um zu einer Entscheidung zu gelangen. Wir entscheiden aber nicht so gerne, sondern möchten uns möglichst lange alle Optionen offen halten. Deswegen neigen wir dazu, die Entscheidungen von uns wegzuschieben. Und manchmal schreiben wir dann „erinnere uns noch mal dran.“ Und das ist dann der Höhepunkt der Unverbindlichkeit, weil wir damit versuchen die Verantwortung von uns weg einfach unserem Gegenüber zuschieben. Soll er sich doch noch mal melden, wenn er was will. Hauptsache es ist nicht mehr allein unser Problem.
Der Copy&Paste Error
Aber manche Zeitgenossen lassen einfach nicht locker und fragen einfach immer wieder nach. Bevor wir die Nachfrage genauer unter die Lupe nehmen schreiben wir dann einfach „wie bereits gemailt“ und fügen per Copy&Paste einfach die letzte Mail ein. Und weg damit. Schließlich haben wir ja inzwischen unseren Arbeitsablauf so weit optimiert, dass wir für die vielen immer wiederkehrenden Anfragen inzwischen ein ganzes Arsenal an Standardantworten parat haben. Da wird die E-Mail kurz überflogen und per Copy&Paste die Antwort eingefügt, fertig. Wieder etwas erledigt. Sind ja eh alles fast die gleichen Anfragen. Leider sind es aber eben nur fast die Gleichen. Denn hin und wieder verbirgt sich in den E-Mails ein kleines aber feines Detail, das unserer flüchtigen Aufmerksamkeit entgeht. Ein Detail, das nicht mit einer dahingeworfenen Standardantwort abgearbeitet werden kann. Ein Detail, das uns komplett neue Welten (Möglichkeiten, Aufträge, Partner) erschließen würde, wenn – ja wenn – wir darauf dezidiert eingehen würden, statt einfach nur schnell unsere Standardantwort rauszuhauen. Oft merken wir dann gar nicht, welche Möglichkeit uns da entgangen ist, weil die Absender solcher E-Mails sich abgefertigt fühlen und nicht noch mal nachfragen.
Digitales Ping Pong
Die digital Natives verbringen ihr ganzes Leben vor dem Computer. Und natürlich senden und empfangen sie auf allen möglichen Kanälen. Und das im Sekundentakt. E-Mail ist dabei nur eine Form der Kommunikation. Kaum kommt eine E-Mail an, schreit sie schon nach unserer Aufmerksamkeit und will beantwortet werden. Also kurz die Arbeit unterbrechen, schnell etwas schreiben und weg damit. Weiter im Takt. Aber was ist das? Kaum eine Minute später kommt schon eine Antwort auf unsere Antwort. Wohl auch ein digital Native am anderen Ende. Egal, was soll’s. Also noch mal kurz die Arbeit unterbrechen, auf die zwei neuen Sätze wieder schnell zwei kurze Sätze antworten. Dann aber weiter mit der eigentlichen Arbeit. Wobei wir uns allmählich die Frage stellen, woraus unsere Arbeit eigentlich besteht, wenn nicht aus E-Mails schreiben.
Der Antwort-Reflex
Diese ganzen Phänomene gipfeln dann manchmal in einer kompletten Nullnummer. Wir fühlen uns inzwischen so genötigt auf jede E-Mail so schnell wie möglich zu antworten, dass wir gar nicht mehr wissen wo uns der Kopf steht. Eigentlich haben wir ja gerade auch gar keine Zeit. Und dann schreiben wir „tut mir leid, ich bin gerade total in Hektik, ich melde mich aber morgen (oder: die Tage) bei Dir.“ Aha. Als würde unser Gegenüber nicht morgen (oder: die Tage) merken, wenn wir uns melden. Stattdessen denkt unser Gegenüber, wir hätten ihm auf seine E-Mail geantwortet, denn schließlich steht da ja ein „RE:“ vor seinem Betreff. Er unterbricht also kurz seine Arbeit, nur um dann beim Lesen festzustellen, dass wir unsere E-Mail zwar erfolgreich als Antwort getarnt haben, im Grunde aber gar nichts gesagt haben. Außer, dass wir zwar gerne jederzeit auf E-Mails antworten, wir uns aber leider nicht dazu durchringen können, die Sachen auch zu erledigen.
Und nun?
Ich gebe zu: Auch ich habe Phasen, in denen ich genau wie hier beschrieben mit meinen E-Mails umgehe. Ich habe aber auch Phasen, in denen ich bewusst anders damit umgehe. Davon schreibe ich dann aber nächste Woche. Denn irgendwie muss ich ja auch sehen, wie ich in der ganzen E-Mail Hektik beim Ironblogging nicht komplett ins Hintertreffen gerate.