ver.di’s Tag zum Urheberrecht

Viele haben geredet. Wenige was gesagt.

Foto: FC Stoffel, cc-by-sa


Am Samstag, den 6. Juli, fand der „Tag zum Urheberrecht“ statt, zu dem der ver.di Fachbereich Medien, Kunst und Industrie eingeladen hatte. Ich bin dort unversehens als Experte angekündigt worden und durfte die Arbeitsgruppe „Verwertungsmodelle“ co-moderieren. Mein Resümee: „Viele haben geredet, wenige was gesagt“. Es war aber trotzdem ok.

Schon die Begrüßung von Heidrun Abel nahm ein wenig vorweg, auf welchem Niveau hier geredet werden würde. Sie eröffnete mit einer (erfundenen) Anekdote: Sie habe heute morgen ihrem Bäcker gesagt, sie nehme das Brötchen jetzt einfach so mit, ohne zu bezahlen, denn schließlich würde sie ja für ihn Werbung machen und das Brötchen dann ja auch noch weiterverändern, mit Salami belegen und etwas Eigenes daraus machen. Der Bäcker sei damit nicht einverstanden gewesen. Nun denn. Mal abgesehen davon, dass nicht alles was hinkt ein Vergleich ist, war ich schon ein wenig überrascht, dass ein Tag, an dem Menschen miteinander ins Gespräch kommen sollen, mit solch einer Polemik eröffnet wird. Aber vielleicht sollte das ja nur eine Provokation sein, um die nachfolgenden Gesprächsrunden in den Themengruppen ein wenig anzuheizen. Das hat insofern funktioniert, als Markus Kompa auf seine Vorstellung „Ich bin Rechtsanwalt und Pirat“ den Zwischenruf „Anwalt? In welchem Fachgebiet? Seerecht?“ kassierte.

Offensichtlich hatten viele der Teilnehmer das Bedürfnis sich erst einmal Luft zu machen. Das Internet löst bei vielen immer noch Unbehagen aus und ist eng verknüpft mit dem Begriff „Kostenlosmentalität“. Die anwesenden Urheber beklagten sich über mangelnden Respekt seitens der Nutzer des Internet. Eine Künstlerin beklagte sich darüber, dass sie kaum noch Geld für ihre Ausstellungen in Museen bekommt. Ein Fotograf beklagte sich über den steigenden Kostendruck und dass immer weniger von den Verlagen für immer weitreichendere Nutzungen gezahlt würden. Ein Musiker hatte Angst vor der Verwurstung seiner Werke, sobald er sie einmal im Internet veröffentlicht. Die Creative Commons Lizenz kannte die meisten Teilnehmer vom Hörensagen, konnten sich aber nicht wirklich etwas darunter vorstellen und empfanden sie zum Teil als Bedrohung, hier wieder das Wort von der „Kostenlosmentalität“. So habe ein Schulbuchverlag Fotografien von Wikipedia verwendet und schade so den professionellen Fotografen. Hierauf entgegnete eine Teilnehmerin, dass es durchaus diskutierenswert wäre, wie wir in Zukunft mit Bildung und freiem Zugang zu Wissen umgehen wollen und sie hier den Ansatz von Open Acces durchaus interessant fände.

Das Stichwort „Professionell“ wurde öfters benutzt, häufig um die eigene Arbeit als höherwertig gegenüber den Veröffentlichungen im Netz einzustufen. Deutlich wurde, dass alle Teilnehmer mit sinkenden Vergütungen ihrer Arbeiten konfrontiert sind. Dabei wurde die Rolle der Verwertungsgesellschaft sehr kritisch gesehen. Die Strukturen bei der GEMA und der VG Wort seien undurchsichtig bis undemokratisch und bedürften der Reform, was aber aufgrund der bestehenden Strukturen quasi unmöglich sei. Mit der VG Bild-Kunst hingegen, waren die entsprechenden Mitglieder zufrieden, hier scheint es gut zu funktionieren. Ein Teilnehmer merkte an, dass das Deutsche Marken- und Patentamt seiner Aufsichtsfunktion quasi überhaupt nicht mehr nachkomme.

Allmählich glätteten sich dann die Wogen und es wurden auch vereinzelt Stimmen laut, dass es gar nicht sooooo schlimm sei, wenn private Blogger, Jugendliche, Fans, auf ihren nichtkommerziellen „privaten“ Seiten Inhalte von Urhebern unentgeltlich verwenden. Ich hatte allerdings den Eindruck, dass eine Verwendung von Creative Commons Lizenzen – um genau das zu erlauben – für alle Teilnehmern nicht in Frage kam. Hier fühlte ich mich in meiner Rolle als Co-Moderator auch extrem unwohl, da ich in vornehmer Zurückhaltung darauf verzichte habe eine flammende Rede für Creative Commons zu halten. Dafür schäme ich mich ein wenig im Nachhinein.

Das Hauptproblem wurde in Anbietern wie Google oder Youtube ausgemacht, die mit fremden Inhalten Geld verdienen und sich weigern die Urheber angemessen zu vergüten. Hier wolle man doch gerne etwas von dem „großen Kuchen der Werbeeinnahmen“ ab haben. Keiner der Teilnehmer/innen hat davon erzählt, dass sie/er selber Inhalte einstellt und dafür sorgt, dass z.B. Youtube dort Werbung schaltet. Hier wurde dann auch noch einmal die Rolle der Verlage kritisch hinterfragt, die zunehmend die Preise diktieren können, zum Teil auch wegen mangelnder Solidarität der Urheber untereinander. Ein Vertreter von dem Fotografenverband Freelens beklagte, dass das BGH eine Verbandsklagen (DJV / ver.di) gegen Springer abschließend abgelehnt und damit dem „Buy Out“ Tür und Tor geöffnet wurde. Er sieht hier politischen Handlungsbedarf. Nach seiner Darstellung sei in Deutschland eine Verbandsklage nicht möglich, was ich allerdings nicht nachvollziehen kann, da es sich in dem Urteil eben genau um eine Verbandsklage des DJV gehandelt hat. Ein Mitglied der DJU / ver.di sah die Errungenschaften des deutschen Urheberrechts durch neue EU-Richtlinien, bedroht und wünschte sich hier entschiedeneres handeln bei den deutschen Politikern.

Zentrale Frage war dann „wie kommt mehr Geld ins System“? Mein Einwurf, man solle doch den Elfenbeinturm verlassen und sehen, dass wir weltweit immer weniger Arbeit für immer mehr Menschen hätten, da seien die Künstler keine Ausnahme, versandete komplett. Weiter ging es mit der Diskussion um Zwangsabgaben, wobei hier niemand die Idee einer Kulturflatrate als mögliche Lösung sah. Der Idee einer Kulturwertmark vom Chaos Computer Club war gänzlich unbekannt und stieß auf Unverständnis. So blieb am Ende der Wunsch nach mehr Geld für die Urheber, jedoch ohne einen konkreten Vorschlag. Vorherrschende Grundstimmung: die Politik solle dafür sorgen, dass alles wieder so wird, wie es vor dem Internet mal war.

Viel wurde geredet in „meiner“ Arbeitsgruppe „Verwertungsmodelle“. In den anderen Arbeitsgruppen war es ähnlich. Mir ist dabei aufgefallen, dass nach wie vor der alte Spruch von Karl Valentin gilt: „Es ist schon alles gesagt, nur noch nicht von allen.“ Und auch wenn das stellenweise ermüdend und nervig ist, es ist wichtig, dass zunächst einmal jedem Urheber zugehört wird. Mir scheint, dies ist ein wesentliches Problem. Die meisten Teilnehmer in meiner Gruppe fühlen sich vom Internet überrollt, vom Wertewandel in ihrem Urheberdasein zurückgedrängt und nicht mehr wahrgenommen. „Immer weniger Geld in immer mehr Taschen“ ist dabei nur ein Ausdruck für gefühlte mangelnde Wertschätzung. Wenn ich genau hinhöre, dann haben viele Angst davor, dass nun plötzlich jeder Nutzer sich selbst auch als Urheber versteht, jeder Mensch inzwischen auch ein Künstler ist, jeder Handybesitzer auch Fotograf sein kann und jeder Blogger die Deutungshoheit der Welt für sich beansprucht. Hier herrscht noch jede Menge Aufklärungsbedarf: über das Internet im Allgemeinen, über Creative Commons, über neue Vermarktungsmodelle und nicht zuletzt den Wertewandel vom Besitz- hin zum Benutzungsrecht.

Ich versuch’s abschließend dann auch mal mit einem Bild: Die Massen drängen in den Elfenbeinturm. Vielleicht sollten die Massen die Leute erst mal in Ruhe raus lassen und ihnen erklären, dass der Elfenbeinturm Risse hat und dringendst erneuert werden muss, anstatt einfach alles an sich zu reißen und kurz und klein zu hauen.

Crosspost meines Artikels von purer-luxus.org.